Erste Mieter nutzen das neue Angebot der Finsterwalde Wohnungsgenossenschaft in der Brandenburger Straße. Aufraggebergemeinschaft organisiert selbstbestimmtes Wohnen mit Vorteilen der Gemeinschaft.

Groß war am Dienstagnachmittag das Interesse am neuen Wohnangebot „WGPlus“ der Wohnungsgenossenschaft Finsterwalde in der Brandenburger Straße der Sängerstadt. Heiko Kussack managte am Nadelöhr zum Eingang in die Wohngemeinschaft in der 5.Etage des Hauses 4 bis 12 mit Engelsgeduld, dass nur so viele Neugierige gleichzeitig eingelassen wurden, wie in jeweils vier Gruppen durch die individuellen Wohn- und die großzügigen Gemeinschaftsbereiche geführt werden konnten. Zu ihnen gehörten auch Edeltraud Berl, die bereits morgen ihre 1-Zimmer-Wohnung beziehen wird. Dagny-Christine Philipp, die ihre Mutter Christel (90) bei einer Besichtigungsrunde im Rollstuhl durch die Etage begleitete, zieht ebenfalls in Kürze aus ihrer bis zuletzt allein bewohnten Wohnung in Doberlug-Kirchhain nach Finsterwalde. „Wir sind glücklich, eine solche Lösung gefunden zu haben, wo Mutti nicht allein ist und immer jemanden rufen kann, wenn sie Hilfe braucht“, sagt die auswärts wohnende Tochter. Jetzt hofft sie, dass sich auch die Mutti schnell in ihrer neuen Umgebung eingewöhnt. Torsten Berl, der Sohn von Neu-WG-Bewohnerin Edeltraud Berl, wird seine Mutter und die anderen insgesamt zwölf Senioren in besonderer Weise beim Leben im neuen Zuhause begleiten. Er ist der Vorsitzende der Auftraggebergemeinschaft der selbstbestimmt agierenden WG. Während die Bewohner Mieter der Wohnungsgenossenschaft sind, kümmert sich die Auftraggebergemeinschaft um die Organisation des Zusammenlebens in der WG, beauftragt so zum Beispiel je nach individuellem Bedarf den mobilen Pflegedienst.

Überwiegend lobend kommentieren die Besucher des Tages der offenen Tür das neue Angebot der Wohnungsgenossenschaft Finsterwalde. Vorstand Gabriele Brungart hatte zur Begrüßung den Grundgedanken hervorgehoben: „Lieber gemeinsam wohnen, als einsam sein.“ Vorstandskollege Ullrich Witt verwies auf den Altersdurchschnitt in der Wohnungsgenossenschaft, der bei knapp 60 Jahren liege. Darauf basiere das Ziel, Mieter möglichst bis ins hohe Alter in der Genossenschaft zu behalten, ihnen das Wohnen bei gegenseitiger Unterstützung und der Verteilung von Lasten in der Gemeinschaft zu erleichtern. Ein bereits von der Herzberger Wohnungsgenossenschaft verwirklichtes Projekt sei nunmehr nach Finsterwalde projiziert worden.

Auf Interesse stieß die Umsetzung der Idee auch bei Fachkollegen von der Gubener Wohnungsgesellschaft und der dortigen Wohnungsgenossenschaft. Geschäftsführer Peter Wiepke beziehungsweise Vorstand Thomas Gerstmeier sind in Guben nicht minder mit den Herausforderungen des demografischen Wandels konfrontiert. Peter Wiepke: „Interessant sind Modelle, die für alle Altersklassen funktionieren.“ Die Bezahlbarkeit der Wohnungen und ein moderner Standard seien gleichermaßen gefragt. Thomas Gerstmeier: „Und es müssen auch die zweite und dritte Vermietung noch funktionieren.“ Beide Gäste aus Guben hielten ihre Eindrücke von der WG in zahlreichen Fotos fest. Darauf werden neben Wohnungszuschnitten und Ausstattung auch die liebevoll ausgeführten Gestaltungselemente nach der Grundidee der maritimen Wohngemeinschaft „Südwind“ zu sehen sein. Anknüpfend an das viel gelobte Sonnendeck für alle Bewohner, dem eine Wohnung an der Giebelseite zur Anhalter Straße gewichen ist, zieht sich der maritime Gedanke von den Kabinen (Zimmern), die alle Außenkabinen sind, über den Gemeinschaftssalon und die Sitzecken im Gang, die Ankerplätze sind, bis zu den maritimen Wandgestaltungen einschließlich Leuchtturm. Lediglich die zu einigen der Wohnungen gehörenden separaten Balkone, die nicht barrierefrei zu erreichen sind, und ein jeweils von zwei Bewohnern zu teilender Badbereich werden kritisch gesehen.

Im großzügigen Gemeinschaftsraum können die Bewohner zusammenfinden. FOTO: Böttcher

Vorstand Gabriele Brungart wertet das Interesse von geschätzten 300 Gästen beim Tag der offenen Tür als Teil eines gelungenen Stapellaufes für die maritime Wohngemeinschaft „Südwind“. Und selbst Waltraud und Gerhard Herrmann, die inbesonderem Maße unter Wassereinbrüchen durch den Boden des Sonnendecks in ihre darunter liegende Wohnung zu leiden hatten, glauben, dass der damit verbundene Stress bald verblasst sein wird. Was in der Etage über ihnen entstanden ist, nötigte ihnen jedenfalls schon gestern ein „wunderschön“ ab. Lob gab es ebenso für die im Zuge des Einbaus eines Fahrstuhles im Eingang Nummer 6 jetzt zwar kleineren, aber sanierten Wohnungen und die Erneuerung der technischen Gebäudeausrüstung für 40 Wohnungen.
Das alles ließ sich die Wohnungsgenossenschaft rund 1,3 Millionen Euro kosten. Sie schaffte es trotz Insolvenz der Hauptbaufirma und eines Wechsels der Dachdeckerfirma wegen Qualitätsmängeln, das ehrgeizige Projekt von der ersten Idee im Juni 2016 über den Bauantrag im Oktober des gleichen Jahres sowie den Baustart im März 2017 nun am 17. Oktober das Ergebnis präsentieren zu können.

Gabi Böttcher, LR-Redkateurin